Mundgeblasenes Waldglas für Orangerie (10/01/2007 07:00:00 AM)

Barocke Glasarchitektur der Superlative auf Schloss Hof
Der Sammelleidenschaft des Erbauers und der Detailversessenheit der heutigen Verantwortlichen ist eines der eindrucksvollsten Pflanzenhäuser des europäischen Barocks auf Schloss Hof in Niederösterreich zu verdanken. Prinz Eugen, Feldherr und passionierter Sammler exotischer Pflanzen, ließ in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Orangerie mit damals modernster Technik erbauen, um Zitronen, Pomeranzen und noch so manches andere zarte Pflänzchen unversehrt über die rauen mitteleuropäischen Winter zu bringen. Doch währte die Pracht nur kurz und geriet in Vergessenheit. Jetzt wurde das Pflanzenschatzhaus authentisch revitalisiert und steht nach über 250 Jahren wieder für Besucher offen.

Glasarchitektur der Superlative
Die 40 Meter breite und 7 Meter hohe - zur optimalen Belichtung der untergestellten Flora leicht schräge - Holz-Glas-Konstruktion erstreckt sich über die komplette Südfassade und galt als technische Innovation. Nach umfangreichen Recherchen wurde sie jetzt originalgetreu wieder hergestellt. Besonders schwierig gestaltete sich die Suche nach dem richtigen Glas. Es sollte den typischen Grünstich der ursprünglichen Verglasung haben und natürlich auch handwerklich authentisch gefertigt werden. Schließlich konnte die Schwanenstadter Tischlerei Kranz das in der Ausschreibung geforderte Glas anbieten. „Wir hatten geglaubt, dass es noch mehrere Hersteller gibt und zunächst in Tschechien gesucht; im Böhmischen waren ja sehr viele Glashütten ansässig“, berichtet Ingenieur Kranz, landesweit aktiver Spezialist im historischen Fensterbau. Der entscheidende Tipp kam von der Glaserei Enzinger aus Vöcklabruck. Harald Enzinger arbeitet schon seit Jahren mit mundgeblasenen Gläsern aus der Glashütte Lamberts.
 
 

Orangerie Schloss Hof - Gesamtansicht


Orangerie Schloss Hof - Glasfront innen
Waldglas aus Waldsassen
Im nordbayerischen Waldsassen, nur wenige Kilometer von der Grenze zu Tschechien entfernt, produziert der Weltmarktführer mundgeblasenen Flachglases u. a. auch das so genannte Waldglas. Der charakteristische leicht grünliche Farbton ist bei historischen Gläsern häufig anzutreffen, weil winzige Fremdpartikel in den Rohstoffen bei der Schmelze eine Verfärbung der Glasmasse zur Folge hatten. Mit den modernen Techniken bei der Rohstoffgewinnung verschwanden diese Verunreinigungen und die fertigen Scheiben wurden glasklar. Doch genau das war für Direktor Farasin, verantwortlich für die authentische Wiederherstellung der Orangerie, ein entscheidender Punkt: „Wir wollen Schloss Hof seine Geschichte und Würde zurückgeben“, lautet der Leitsatz zur Rekonstruierung der gesamten Anlage. Bei der Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbildes wurde deshalb auch besonderer Wert auf die verwendeten Baustoffe und Handwerkstechniken gelegt. Das Waldglas aus Waldsassen erfüllt beide Anforderungen vollständig. Denn an der Produktionsweise hat sich seit Jahrhunderten nichts geändert. Noch immer liegt es am Geschick des Glasmachermeisters, aus der flüssigen Masse durch Blasen, Schwenken und Drehen der bis15 Kilogramm schwere Glasmacherpfeife einen Ballon entstehen zu lassen, der später - aufgeschnitten und glatt gebügelt - eine ca. 80 x 100 cm große Scheibe ergibt. Die typische grüne Färbung allerdings, bleibt heute nicht mehr dem Zufall überlassen, sondern wird mittels genau dosierter Zugabe von Eisenoxid erzielt.


Fenster außen - Textur mundgeblasenes Glas
Glas mit Charakter
Für die Orangerie Schloss Hof wurden insgesamt 230 qm Waldglas verarbeitet. Originalgetreu wurden die Scheiben in Bleisprossen-Steckfalze eingeschoben und mit Windeisen ausgesteift. Dass die alte Pracht in neuem Glanz rechtzeitig zur Gartensaison 2007 erstrahlen konnte, lag nicht zuletzt an der schnellen Lieferung der vielen Glasscheiben. Dazu Stephan Lamberts, Inhaber der gleichnamigen Glashütte: „Produktion nach Kundenwunsch ist unsere Stärke. Gerne gehen wir dabei auf besondere Wünsche ein. Individualität ist schließlich wichtigstes Kennzeichen unserer mundgeblasenen Gläser. Mit ihrem unverwechselbaren Charakter unterstreichen die Scheiben den Habitus gebauter Zeitzeugen der Geschichte.“
 
Quelle + weitere Informationen
Glashütte Lamberts
Schützenstraße 1
95652 Waldsassen
Tel.: +49 (0) 96 32/23 71
Fax: +49 (0) 96 32/48 80
christ@lamberts.de
www.lamberts.de
www.schlosshof.at